Gewinner 2015

Ernst-Schneider-Preis der IHKs verliehen: 10 x bester Wirtschaftsjournalismus

Autorinnen und Autoren von Hamburger Abendblatt, Enorm und Zeit ausgezeichnet / Hör­funk- und Fernsehpreise an Arte, BR, HR, SWR / Innovationspreis an Follow the Money und Vox / Internetpreis an Handelsblatt Online / Preisgelder in Höhe von 52.500 Euro

PreissymbolIm größten deutschen Wettbewerb für Wirt­schaftspubli­zistik, dem von den
Industrie- und Handelskammern ausgeschriebenen Ernst-Schneider-Preis, sind heute (20. Oktober 2015) die Preise ver­lie­hen worden. Die ausgezeichneten Beiträge vermitteln auf ebenso verständliche wie spannende Weise wirtschaftliche Zusammenhänge. Im Fokus vieler Stücke stand die Digitalisierung der Arbeitswelt. „Die Höhle der Löwen“ erhielt eine Auszeichnung als innovativste Fernsehsendung. Die Gewinner hatten sich gegen rund tausend Mitbewerber durchgesetzt. Jörg Thadeusz moderierte die 44. Verleihung des Journalistenpreises der deutschen Wirtschaft in der Handelskammer Hamburg. 600 Gäste aus Wirtschaft, Politik und Medien waren anwesend, darunter zahlreiche Chefredakteure und Intendanten, die als Laudatoren die Juryentscheidungen begründeten. Die Preisträger 2015 sind:

Internet (Dotierung 5.000 Euro)

Dana Heide, Handelsblatt Online „Wie eine Katastrophe die Welt verbessert“.

Die Autorin personalisiert die Katastrophe von Fukushima durch Augenzeugenberichte, fügt Schlüsselszenen der deutschen Politik ein und widmet sich den Folgen, die die Energiewende für die Wirtschaft hat. Im Urteil der Jury eine exzellent gegliederte Geschichte mit herausragender Nutzerführung.

Nominiert waren außerdem: Daniel Moßbrucker und Jürgen Ackermann: „12 Prozent Rendite an der Tanke“, Boerse.ARD.de mit Plusminus, sowie Michael Soboll und Conrad von Meding: „Das Ende eines Traums“, HAZ Online.

Print

Wirtschaft in regionalen Printmedien (Dotierung 7.500 €)

Miriam Opresnik für „Helden des Handels“, Hamburger Abendblatt. Die zwölfteilige Serie erzählt von Lebensentwürfen, Geschäftsplänen, persönlichen Krisen und Hoffnungen Hamburger Einzelhändler – und von ihrem Kampf gegen ein sich änderndes Konsumverhalten. Nominiert waren außerdem Ulrich Wolf und Tobias Wolf: „Milliarden-Spiel. Der Anleger-Skandal um die Dresdner Finanzgruppe Infinus“, Sächsische Zeitung, und Tino Zippel: „Stadtwerke-Insolvenz in Gera“, Ostthüringer Zeitung.

Wirtschaft in überregionalen Printmedien (Dotierung 7.500 €)

Kai Biermann, Klaus Brandt, Daniel Drepper, Philip Faigle, Christian Fuchs, Anne Kunze, Haluka Maier-Borst, Stephan Lebert, Daniel Müller, Karsten Polke-Majewski, Sascha Venohr und Fritz Zimmermann für „Tödliche Keime“, Die Zeit, Zeit Online, Funke-Mediengruppe und CORRECT!V. Das Autorenteam hinterfragt in der vierteiligen Serie die durchgetaktete, konventionelle Fleischproduktion und beschreibt die Gefahr dabei entstehender multiresistenter Keime. Nominiert waren auch Marc Neller: „Der Ablasshändler“, Welt am Sonntag, sowie Mark Schieritz und Wolfgang Uchatius: „Ausgespart!“, Die Zeit.

Förderpreis (Dotierung: Weiterbildung 2.500 €)

Ausgezeichnet wird Felix Brumm, Enorm, der relevante Themen der Gesellschaft unter neuen Blickwinkeln aufgreift und den Lesern die Wirtschaftswelt anschaulich erschließt. Nominiert war auch Anne-Sophie Lang, die unter anderem für Die Zeit und die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung schreibt.

Hörfunk

Kurzbeitrag (Dotierung 5.000 €)

„Die Macht des Geldes – Was Geld mit uns macht“, SWR, von Torsten Buschmann, Andreas Hain, Peter Knetsch, Tamara Land, Sina Rosenkranz, Julia Rubin, Jan Seidel und Lena Stadler (Red. Peter Knetsch). Die Serie portraitiert Gründer, Spieler, Spender und Verlierer und erzählt anhand ihrer Schicksale kurze Geschichten, die die Hörer einladen über ihr Verhältnis zum Geld nachzudenken. Nominiert waren außerdem Olaf Biernat, Jörg Marksteiner, Sebastian Wehner und Jörg Steinkamp (Red. Ralf Becker) mit der Serie: „Opel verlässt Bochum – Ein Werk mit Geschichten“, WDR, und Jens Brommann, Ulrich Czisla, Jennifer Lachman und Lena-Maria Reers (Red. Adrian Feuerbacher) mit der Serie: „Demografischer Wandel – Wie gut sind Unternehmen darauf vorbereitet?“, NDR.

Große Wirtschaftssendung (Dotierung 7.500 €)

Dr. Sebastian Strube schildert in „Crowdwork. Vom Entstehen der digitalen Arbeiterklasse“, BR (Red. Caroline von Lowtzow), wie die Digitalisierung eine neue globale und anonyme Arbeitsteilung ermöglicht. Nominiert waren auch Suzanne Bontemps und Sophie Panzer (Red. Karin Beindorff, Gabriele Hermer, Eva Roither) mit „Gasrausch im ewigen Eis – Unterwegs auf russischen Gasfeldern jenseits des Polarkreis“, DLF / rbb / ORF

Fernsehen

Kurzbeitrag (Dotierung 5.000 €)

Sabina Wolf dokumentiert in „Gefälschte Medikamentenverpackungen“, ARD (BR, Red. Carl Hermann Diekmann) eine neue Stufe der Internetkriminalität, bei der Originaldateien von Medikamentenschachteln gehandelt werden. Ausgedruckt und um wirkungslose Medikamente gepackt greifen sie den sensiblen Arzneimittelmarkt an. Nominiert waren außerdem Gudrun Kirfel (Red. Klaus Schmidt): „Der Staubsaugerstreit“, ARD (WDR) und „Frankreich: Wege aus der Krise“ von Markus Preiß (Red. Klaus Schmidt), ARD (WDR).

Große Wirtschaftssendung (Dotierung 7.500 €)

Marc Bauder, „Master of the Universe“, Arte / hr / SWR, (Red. Esther Schapira, Dr. Gudrun Hanke-El Ghomri). Der Film lotet in außergewöhnlicher Ästhetik und Ruhe die Tiefen der Finanzwelt aus. Er konzentriert sich auf einen Protagonisten, der Perspektive und Haltung eines Investmentbankers vermittelt. Nominiert waren auch Christof Boy, Herbert Elias und Michael Grytz (Red. Nicole Kohnert) für „Gegen den Strich: TTIP“, WDR, sowie Jan Schneider und Maja Helmer (Red. Michael Scheuch) für „Die Maschen der Banken – Fragwürdige Geschäfte mit Zinsen und Gebühren“, ZDF.

Innovation / Wirtschaft in der Unterhaltungssendung (Dotierung 5.000 €)

Preisteilung: Christiane Beeker und Andrea Jajeh: „Die Höhle der Löwen“, Vox (Red. Katja Rieger, Sabine Leopold). Im Urteil der Jury ein innovatives wirtschaftliches Fernsehformat, das aus Gründergeschichten spannende, informative und erfolgreiche Unterhaltung macht.

Carolyn Braun, Marcus Pfeil, Felix Rohrbeck und Christian Salewski: „Die GPS-Jagd!“, Die Zeit / ARTE / Follow the Money / ARD (NDR, Red. Dieter Schiffermüller). Auszeichnung für ein originelles, crossmediales Projekt zu einem Recyclingthema, bei dem die Autoren über Soziale Medien Nutzer einbeziehen und mittels markierter Fernseher eine globale Geschichte entwickeln, die verhängnisvolle Kapital- und Warenströme offenbart.

 

Über den Internetpreis entschieden: Ute Brüssel, Leiterin Kommunikation DIHK, Philipp Jessen, Chefredakteur Online Stern, Dr. Robin Houcken, Geschäftsführer Nordpol+Hamburg Agentur für Kommunikation GmbH, Juliane Leopold, Chefredakteurin BuzzFeed Deutschland, und Burghard Schnödewind, Leiter boerse.ARD.de.

Die Entscheidungen in der Printjury trafen: Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer Die Zeit, Brigitte Fehrle, Chefredakteurin Berliner Zeitung, Lars Haider, Chefredakteur Hamburger Abendblatt, und Dr. Walter Richtberg, Vorstandsvorsitzender Ernst-Schneider-Preis.

In der Hörfunkjury arbeiteten: Andreas Bartmann, Vizepräses Handelskammer Hamburg, Marzel Becker, Geschäftsführer und Programmdirektor Radio Hamburg, Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin IHK Stade, Joachim Knuth, Hörfunkdirektor NDR, und Birgit Wentzien, Chefredakteurin Deutschlandfunk.

Die Fernsehjury bestand aus: Susanne Biedenkopf-Kürten, Leiterin Hauptabteilung Wirtschaft, Recht, Soziales, Umwelt, ZDF, Prof. Thomas Kleist, Intendant Saarländischer Rundfunk, Dr. Walter Richtberg, Vorstandsvorsitzender Ernst-Schneider-Preis, Prof. Hans-Jörg Schmidt-Trenz, Hauptgeschäftsführer Handelskammer Hamburg, und Sonja Schwetje, Chefredakteurin n-tv.

 

Stimmungsbild Wirtschaftsberichterstattung 2015

Online-Umfrage Ernst-Schneider-Preis der IHKs:
Journalisten unterschätzen Wirtschaftsthemen
(zu den grafisch aufbereiteten Ergebnissen der Umfrage)

Aus Sicht von Journalistinnen und Journalisten ist die Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland nicht zufriedenstellend. Die Gründe sehen die Befragten zum einen bei sich und ihren Kollegen, weil die Relevanz von Wirtschaftsthemen für die gesellschaftliche Entwicklung unterschätzt werde. Außerdem unternähmen sie zu wenig, um Themen verständlich zu vermitteln. Zum anderen verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in den Redaktionen und es fehle an Sendeflächen – gerade im Fernsehen und im Hörfunk. Dies sind Ergebnisse einer Online-Umfrage des Ernst-Schneider-Preis der IHKs. An ihr haben 179  Journalisten, unter ihnen Chef­redak­teure, teilgenommen. Die vielfältigen Einschätzungen der Befragten ermöglichen einen differenzierten Blick auf den Wirtschaftsjournalismus.

Einig waren sich die Befragten darin, dass in Deutschland Wirtschaftsthemen Kernthemen sind. Diese Ansicht scheint aber nicht von der gesamten Branche geteilt zu werden. Fast zwei Drittel der Befragten sagen, dass Journalisten die Bedeutung von Wirtschaft für die gesellschaftliche Entwicklung unterschätzen.

Zahlreiche Kommentare rief die Frage nach der Qualität der Wirtschaftsberichterstattung hervor. 48 Prozent der Befragten halten sie für gut bis sehr gut. Sie verweisen auf die Etablierung von Rechercheverbünden und beobachten ein Aufkommen von attraktiv gestalteten Erklärstücken „mit echtem Mehrwert, die der interessierte Leser nicht so einfach aus dem Netz zusammengooglen kann“.

Eine Mehrheit (52 Prozent) hält die Berichterstattung hingegen für mittelmäßig bis schlecht. Selbstkritisch beklagt sie eine Tendenz zur Verein-fachung („Das Chlorhuhn ersetzt den sorgsam recherchierten Hintergrundbericht“), eine dominierende Verbraucher- und Nutzwertberichterstattung, einen Trend zur Skandalisierung und ein Denken in Schubladen („Zu wenig Meinungsvielfalt“, „Wirtschaft wird von weiten Teilen des Journalismus immer noch verteufelt.“)

Viele Befragte sagen, dass die Berichterstattung zu sehr auf Dax-Konzerne und auf öffentlichkeitsaffine Unternehmen wie Amazon, Tesla oder Zalando fokussiere, obwohl deren tatsächliche Wirtschaftsleistung in keinem Verhältnis zu ihrer Medienresonanz stehe. Erfolge von Unternehmen würden ausgeblendet, der Mittelstand vernachlässigt. Dieser verschließe sich aber auch immer häufiger einer Berichterstattung, dadurch fehlten Beispiele. Viele Stimmen beklagen eine Vernachlässigung fundierter Hintergrundberichterstattung. „Im Bemühen um Lesernähe übernehmen Journalisten gern nicht nur die Perspektive, sondern auch die Meinung des Normalverbrauchers.“ Damit bestätige man sich als „Meinungsverstärker“, bleibe aber Erklärungen und Einordnungen des Geschehens schuldig, teilweise auch wegen mangelnden Fachwissens oder der Auflösung von Fachredaktionen. Und dann werde immer noch zu kompliziert berichtet, gerade wenn es um komplexe Themen gehe. 69 Prozent der Befragten sind insgesamt der Ansicht, dass Journalisten zu wenig unternehmen, um die anspruchsvollen Wirtschaftsthemen zu vermitteln; nur 31 Prozent sind insoweit zufrieden.

Ein Hinderungsgrund sind sich verschlechternde Arbeitsbedingungen. Journalisten leiden unter der Beschleunigung ihrer Arbeit, die zu einem Verlust an Sorgfalt führe, und an Sparmaßnahmen in den Redaktionen. Nur bei acht Prozent der Befragten hat sich die personelle Besetzung in der Redaktion verbessert, bei 45 Prozent verschlechtert, in knapp der Hälfte der Fälle ist sie gleich geblieben. Auf der anderen Seite steige der Einfluss der PR (Public Relations) mit ihren tendenziell besser werdenden Vorarbeiten auf ein problematisches Maß.

Deutliche Kritik üben Journalisten an der Themenstruktur in Fernsehen und Radio. 75 Prozent sind der Ansicht, dass wirtschaftliche Themen im Fernsehen nicht genügend Sendezeit haben, 72 Prozent sehen diesen Mangel im Hörfunk. Anders sieht es im Internet und bei Print aus. Mit Blick auf das Internet sagen 60 Prozent, dass das Angebot dort ausreichend sei, bei Zeitungen und Zeitschriften sind es 75 Prozent.

Die Befragten wagen einen Blick auf Themen, an denen das Interesse steigen wird. Dazu zählen Altersvorsorge und Arm/Reich (je 87 Prozent), Digitale Daten (81 Prozent), Industrie 4.0 (72 Prozent) und besonders das Thema Zuwanderung mit 94 Prozent. Als Trendthemen des Jahres sehen die Befragten „Grexit“ und „Brexit“, also den möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone und Großbritanniens aus der EU.

Die Befragten geben auch eine Einschätzung ab, wohin sich der mediale Wettbewerb entwickeln wird. Bei der Berichterstattung über aktuelle Themen setzen die meisten auf das Internet. Eine gegenüber früheren Umfragen gestiegene Anzahl von Journalisten ist der Meinung, dass Hintergrundgeschichten ebenso wie wirtschaftspolitische Beiträge sich auf Printmedien kon­zentrieren werden. Auch die Lokalberichterstattung erwarten die Befragten auf absehbare Zukunft am ehesten in Zeitungen. Bei Service- und Verbraucherthemen liegt das Fernsehen in der Erwartung vorne.

Die Antworten der Umfrage kamen zu 29 Prozent von Zeitungsredakteurinnen und -redakteuren, zu 20 Prozent von Zeitschriftenredakteurinnen und -redakteuren, zu 25 Prozent von Fernseh-, zu 12 Prozent von Hörfunkjournalisten und zu 16 Prozent von Onlinern. Die restlichen Prozent verteilen sich auf freie Autoren, Nachrichtenagenturen und Sonstige.

Alle grafisch aufbereiteten Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.

Bedrohliche Bilder von Wirtschaft

Dschungel

Irgendwie hat man es geahnt. Die Deutschen hadern mit der Ökonomie, sie neigen zu Skepsis und haben eigenwillige Vorstellungen vom Funktionieren der Wirtschaft. Aber dass auch Journalisten ein Bild von Wirtschaft in ihren Köpfen tragen, das Fehlfarben aufweist, ist neu. Der Befund hat Folgen, weil Journalisten Meinungen prägen, und er überrascht. Bekennt sich der Berufsstand nicht immer zu Objektivität und Neutralität? Wollen wir nicht dem Ganzen gegenüber interessiert sein, uns nicht vereinnahmen lassen und der Wahrheit auf die Spur kommen?

Psychologen des Rheingold Instituts haben das journalistische Berufsethos hinterfragt und in tiefenpsychologischen Gesprächen das Bild entschlüsselt, das sich Journalisten von Wirtschaft machen. Der Befund lässt aufhorchen: Bei Wirtschaftsthemen verändern Journalisten ihre Einstellung. Sie ergreifen Partei und stellen sich tendenziell auf die Seite derer, die sie als schutzbedürftig empfinden. Journalisten sehen dafür einen gesellschaftlichen Auftrag. Sie sind Korrektiv und Gegengewicht und färben die Sicht auf die Wirtschaft.

Interessant ist auch was Journalisten unter Wirtschaft verstehen. In der Vorstellung der meisten Autoren scheint es zwei unabhängig voneinander existierende Wirtschaftswelten zu geben, eine kleine und eine große. Zu der „kleinen“ Wirtschaft gehören die täglichen Einkäufe, die Familienkasse, die Reparatur eines Handwerkers. Diese Welt ist intakt und überschaubar – aber journalistisch belanglos. Daneben existiert die Idee einer „großen“ Wirtschaft und sie ist anstrengend, verlangt einerseits Kompetenz, verspricht andererseits aber auch Macht und Einfluss. Die „große“ Wirtschaft trägt die Logos von Deutscher Bank, Amazon, Nestlé, Shell und Google. Diese Wirtschaft ist global und verwoben. Journalisten erleben sie als bedrohlich. In ihren Köpfen erscheinen die Vorstellung eines Dschungels, in dem dunkle Mächte herrschen und einer trockenen Wüste mit lebloser Materie. Diese Welt ist meist kalt, sie besteht aus Zahlen, ist abstrakt und kaum durchschaubar. Wer in diesem Umfeld berichtet, muss etwas Großes und Komplexes, einen Dschungel oder eine Wüste, begreifen und etwas Undifferenziertes und Nüchternes beleben. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, bei der die Autoren immer ein Scheitern riskieren. Angesichts der erdrückenden Komplexität der Themen erleben sich Journalisten als klein und ohnmächtig. Kein gutes Gefühl für Berichterstatter. Sie suchen Beispiele, um den als übermächtig erlebten Wirtschaftsbetrieb zu verkleinern und zu entmachten.

Die Studie, die der Journalistenpreis der deutschen Wirtschaft, der Ernst-Schneider-Preis, in Auftrag gegeben hat, zeigt, dass Journalisten, die über Wirtschaftsthemen berichten, eine Haltung haben. Sie wollen „mitspielen“, erklären oder korrigieren. Das Rheingold-Institut erkannte sechs typische Formen des Selbstverständnisses. Es gibt Hofberichterstatter (die die Nähe von Entscheidungsträgern suchen), Dramaturgen (die Themen spannend wie einen Krimi machen) und Lotsen (die Bürgern Serviceangebote unterbreiten). Journalisten können Weltverbesserer sein (die auf der Suche nach einer besseren Welt soziale Verwerfungen abschaffen möchten), Robin Hoods (die als Anwalt des kleinen Mannes für Benachteiligte kämpfen) oder Aufrührer (die die Verhältnisse mit Macht ändern wollen und Demontage betreiben).

Wie entstehen solche Perspektiven auf die Wirtschaft? Die Psychologen sagen, sie haben mit einer tiefsitzenden Skepsis, mit der „German Angst“ zu tun. Viele Deutsche verstehen die globale Wirtschaft nicht. Und vielen Journalisten fehlen nach Einschätzung der Befragten selbst Kenntnisse von wirtschaftlichen Zusammenhängen. Die Deutschen sehen ein einkommensmäßiges Auseinanderdriften von oben und unten, erleben Währungskrisen und kapitulieren vor Finanzprodukten. Ihr Vertrauen in die Wirtschaft schwindet. Sie suchen Schuldige. Tief im Inneren glauben sie, dass Gier ihnen schadet. Und Gier verknüpfen sie mit Wirtschaft. Daher eignen sich, so die Psychologen, nicht nur Banker, sondern das Thema Wirtschaft insgesamt als neues, gesellschaftlich akzeptiertes Feindbild.

Das ist, man ahnt es, zu kurz gesprungen. Wirtschaft ist für den Zusammenhalt und die Entwicklung der Gesellschaft von besonderer Bedeutung, ihr Funktionieren entscheidet über unsere Lebensperspektiven. Und die Wirtschaft verändert sich, sie ist in Bewegung, gerade jetzt, in Zeiten digitaler Umbrüche – das macht die Berichterstattung so wichtig und so spannend. Was für eine großartige Aufgabe für Journalisten – wenn sie aufklären, hinterfragen und ihren Beruf ernst nehmen.

Die 2013 verfasste Studie “Das Bild der Wirtschaft aus der Perspektive der Journalisten” können sie hier herunterladen (PowerPoint Vortrag als PDF).