Wie gewinnt man den Ernst-Schneider-Preis?
Gebrauchsanweisung für Journalistinnen und Journalisten
Glück? Auch, aber nicht in erster Linie. Und nur das richtige Thema einzureichen, langt ebenfalls nicht zum Gewinn des Ernst-Schneider-Preises. Es geht fair zu, am Ende entscheiden Fachleute. Aus den Medien und aus der Wirtschaft. Die einen mit analytischem Verstand, die anderen mit dem Bauch. Manchmal auch andersherum. Aber fast immer übereinstimmend, und es werten drei Journalisten und zwei Vertreter der Wirtschaft, die Entscheidung fällt nach journalistischen Kriterien.
Also, was braucht‘s?
1. Neugierde. Marcus Vetter wollte in der Börseneuphorie des Jahres 2000 wissen, ob das stimmte, was die Experten des Neuen Marktes behaupteten. Sie sagten, dass die Gesetze der Wirtschaft sich verändert hatten. Die alte Formel, Umsatz minus Kosten gleich Ertrag, galt als antiquiert, als Old Economy. In der New Economy des Internets waren Ideen und Kundenkontakte die neue Währung. Und scheinbar aus dem Nichts schufen die Internetpioniere Firmen, die an der Börse mit dem Vielfachen der etablierten Industrieunternehmen gehandelt wurden. Vetter verstand es nicht. In „Wo das Geld wächst! Die EM.TV-Story” erzählte er die grandiose Geschichte vom Aufstieg und Fall eines Börsenstars. Ein Drama mit Helden und Opfern, gleichzeitig die Geschichte einer Hysterie und ein zeitloser Film über das Funktionieren von Wirtschaft.
2. Man braucht eine Erzählidee. Den Ernst-Schneider-Preis der IHKs erhielt Marcus Vetter nicht wegen des Themas. Darüber hatten viele Wirtschaftsjournalisten geschrieben. Vetter kam aus der Kultur. Er war Dokumentarfilmer. Und das war ein Vorteil, denn er musste mit seinen Recherchen von vorne beginnen. Er fuhr zum Geburtsort der Haffa-Brüder, die die EM.TV führten, nach Pfaffenhofen, wo die meisten Menschen Hopfen anbauen, erkundete die dortige Welt und infizierte die Menschen mit seiner Neugier: Die Bauern, die keine Zeit zum Aktienkauf hatten, den Sparkassenchef, der Wallfahrten zur Aktionärsversammlung von EM.TV organisierte, den kleinen Schlosser, der auf dem Papier Millionär war, den Ethiklehrer und am Ende den Pfarrer. Sie alle wurden Teil der Geschichte, redeten von Geld, hinterfragten Entwicklungen, predigten über Wirtschaft.
3. Eine gute Redaktion. Viele Autorinnen und Autoren arbeiten frei. Sie brauchen Rückhalt und Unterstützung.
4. Ausdauer. Vetter war ein halbes Dutzend Mal in Pfaffenhofen und jeder weitere Besuch brachte neue Erkenntnisse. Denn auch die Welt der Hopfenbauern war global, der Preis ihres Produktes wurde in Dollar gerechnet.
5. Geduld. Im Ernst-Schneider-Preis sichten und gewichten elf Vorjurys die eingereichten Beiträge in den Kategorien Print, Internet, Hörfunk und Fernsehen. Und immer stellen sich die Jurorinnen und Juroren die gleichen Fragen: Wie relevant ist das Thema, welche neuen Informationen haben die Autoren recherchiert und wie gut gelingt es ihnen sich allgemein verständlich auszudrücken. Erst wenn alles zusammenkommt, wenn neue Erkenntnisse in eine packende Geschichte gekleidet werden, Bauch und Kopf gleichermaßen angesprochen werden, wird der Beitrag der Schlussjury empfohlen. Und hier bewerten renommierte Experten die Leistung, die sich bei Beiträgen des eigenen Hauses der Stimme enthalten. Der besondere Blickwinkel auf die Thematik, die Lesbarkeit auf mehreren Ebenen und der Informationsgehalt küren den Gewinner. Und dann heißt es: Den Ernst-Schneider-Preis 2019 erhält …… Bitte kommen Sie zu uns auf die Bühne.