Stimmungsbild Wirtschaftsberichterstattung 2015

Online-Umfrage Ernst-Schneider-Preis der IHKs:
Journalisten unterschätzen Wirtschaftsthemen
(zu den grafisch aufbereiteten Ergebnissen der Umfrage)

Aus Sicht von Journalistinnen und Journalisten ist die Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland nicht zufriedenstellend. Die Gründe sehen die Befragten zum einen bei sich und ihren Kollegen, weil die Relevanz von Wirtschaftsthemen für die gesellschaftliche Entwicklung unterschätzt werde. Außerdem unternähmen sie zu wenig, um Themen verständlich zu vermitteln. Zum anderen verschlechterten sich die Arbeitsbedingungen in den Redaktionen und es fehle an Sendeflächen – gerade im Fernsehen und im Hörfunk. Dies sind Ergebnisse einer Online-Umfrage des Ernst-Schneider-Preis der IHKs. An ihr haben 179  Journalisten, unter ihnen Chef­redak­teure, teilgenommen. Die vielfältigen Einschätzungen der Befragten ermöglichen einen differenzierten Blick auf den Wirtschaftsjournalismus.

Einig waren sich die Befragten darin, dass in Deutschland Wirtschaftsthemen Kernthemen sind. Diese Ansicht scheint aber nicht von der gesamten Branche geteilt zu werden. Fast zwei Drittel der Befragten sagen, dass Journalisten die Bedeutung von Wirtschaft für die gesellschaftliche Entwicklung unterschätzen.

Zahlreiche Kommentare rief die Frage nach der Qualität der Wirtschaftsberichterstattung hervor. 48 Prozent der Befragten halten sie für gut bis sehr gut. Sie verweisen auf die Etablierung von Rechercheverbünden und beobachten ein Aufkommen von attraktiv gestalteten Erklärstücken „mit echtem Mehrwert, die der interessierte Leser nicht so einfach aus dem Netz zusammengooglen kann“.

Eine Mehrheit (52 Prozent) hält die Berichterstattung hingegen für mittelmäßig bis schlecht. Selbstkritisch beklagt sie eine Tendenz zur Verein-fachung („Das Chlorhuhn ersetzt den sorgsam recherchierten Hintergrundbericht“), eine dominierende Verbraucher- und Nutzwertberichterstattung, einen Trend zur Skandalisierung und ein Denken in Schubladen („Zu wenig Meinungsvielfalt“, „Wirtschaft wird von weiten Teilen des Journalismus immer noch verteufelt.“)

Viele Befragte sagen, dass die Berichterstattung zu sehr auf Dax-Konzerne und auf öffentlichkeitsaffine Unternehmen wie Amazon, Tesla oder Zalando fokussiere, obwohl deren tatsächliche Wirtschaftsleistung in keinem Verhältnis zu ihrer Medienresonanz stehe. Erfolge von Unternehmen würden ausgeblendet, der Mittelstand vernachlässigt. Dieser verschließe sich aber auch immer häufiger einer Berichterstattung, dadurch fehlten Beispiele. Viele Stimmen beklagen eine Vernachlässigung fundierter Hintergrundberichterstattung. „Im Bemühen um Lesernähe übernehmen Journalisten gern nicht nur die Perspektive, sondern auch die Meinung des Normalverbrauchers.“ Damit bestätige man sich als „Meinungsverstärker“, bleibe aber Erklärungen und Einordnungen des Geschehens schuldig, teilweise auch wegen mangelnden Fachwissens oder der Auflösung von Fachredaktionen. Und dann werde immer noch zu kompliziert berichtet, gerade wenn es um komplexe Themen gehe. 69 Prozent der Befragten sind insgesamt der Ansicht, dass Journalisten zu wenig unternehmen, um die anspruchsvollen Wirtschaftsthemen zu vermitteln; nur 31 Prozent sind insoweit zufrieden.

Ein Hinderungsgrund sind sich verschlechternde Arbeitsbedingungen. Journalisten leiden unter der Beschleunigung ihrer Arbeit, die zu einem Verlust an Sorgfalt führe, und an Sparmaßnahmen in den Redaktionen. Nur bei acht Prozent der Befragten hat sich die personelle Besetzung in der Redaktion verbessert, bei 45 Prozent verschlechtert, in knapp der Hälfte der Fälle ist sie gleich geblieben. Auf der anderen Seite steige der Einfluss der PR (Public Relations) mit ihren tendenziell besser werdenden Vorarbeiten auf ein problematisches Maß.

Deutliche Kritik üben Journalisten an der Themenstruktur in Fernsehen und Radio. 75 Prozent sind der Ansicht, dass wirtschaftliche Themen im Fernsehen nicht genügend Sendezeit haben, 72 Prozent sehen diesen Mangel im Hörfunk. Anders sieht es im Internet und bei Print aus. Mit Blick auf das Internet sagen 60 Prozent, dass das Angebot dort ausreichend sei, bei Zeitungen und Zeitschriften sind es 75 Prozent.

Die Befragten wagen einen Blick auf Themen, an denen das Interesse steigen wird. Dazu zählen Altersvorsorge und Arm/Reich (je 87 Prozent), Digitale Daten (81 Prozent), Industrie 4.0 (72 Prozent) und besonders das Thema Zuwanderung mit 94 Prozent. Als Trendthemen des Jahres sehen die Befragten „Grexit“ und „Brexit“, also den möglichen Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone und Großbritanniens aus der EU.

Die Befragten geben auch eine Einschätzung ab, wohin sich der mediale Wettbewerb entwickeln wird. Bei der Berichterstattung über aktuelle Themen setzen die meisten auf das Internet. Eine gegenüber früheren Umfragen gestiegene Anzahl von Journalisten ist der Meinung, dass Hintergrundgeschichten ebenso wie wirtschaftspolitische Beiträge sich auf Printmedien kon­zentrieren werden. Auch die Lokalberichterstattung erwarten die Befragten auf absehbare Zukunft am ehesten in Zeitungen. Bei Service- und Verbraucherthemen liegt das Fernsehen in der Erwartung vorne.

Die Antworten der Umfrage kamen zu 29 Prozent von Zeitungsredakteurinnen und -redakteuren, zu 20 Prozent von Zeitschriftenredakteurinnen und -redakteuren, zu 25 Prozent von Fernseh-, zu 12 Prozent von Hörfunkjournalisten und zu 16 Prozent von Onlinern. Die restlichen Prozent verteilen sich auf freie Autoren, Nachrichtenagenturen und Sonstige.

Alle grafisch aufbereiteten Ergebnisse der Umfrage finden Sie hier.

Medienbrief 1/15

Große Resonanz auf Ernst-Schneider-Preis

2015 Beteiligung Archiv 02Die Macht der Algorithmen, Frauen in Führungspositionen, Integration von Flüchtlingen, kaputte Straßen und Brücken, Steuermoral, Freihandelsabkommen, Abneigung gegen Massentierhaltung, Geschäfte mit Russland, Share Economy, Energiewende, Fairtrade, Gesundheitswirtschaft – mehr als tausend Beiträge sind zum Ernst-Schneider-Preis 2015 eingereicht worden. Zehn Jurys werden im Frühjahr Vorauswahlen treffen. Für die Schlussjurys haben bereits zugesagt: Joachim Knuth, Hörfunkdirektor NDR, Birgit Wentzien, Chefredakteurin Deutschlandfunk, Juliane Leopold, Chefredakteurin BuzzFeed Deutschland, Philipp Jessen, Chefredakteur Online Stern, Burghard Schnödewind, Leiter ARD.de, Rainer Esser, Geschäftsführer Zeit, Lars Haider, Chefredakteur Hamburger Abendblatt und der Präses der Handelskammer Fritz Horst Melsheimer. Die Preisverleihung 2015 richtet die Handelskammer Hamburg im Rahmen ihres 350jährigen Jubiläums am 20. Oktober aus. Jörg Thadeusz moderiert den Abend.

Freie Wahl des Arbeitsplatzes

Das Handelsblatt will eine „multimediale Reporter-Zeitung“ werden. Nach den Vorstellungen von Herausgeber Gabor Steingart können Redakteure künftig selbst entscheiden, wo und wie sie ihre Arbeit erledigen. Das neue Redaktionskonzept soll die Rituale des „im überkommenen Industriezeitalter verwurzelten Modells von der allmächtigen Redaktionszentrale“ ablösen. Nach Willen von Steingart soll die neue Struktur es ermöglichen, dass die Redakteure deutlich häufiger „rausgehen und mit lebenden Menschen reden”.

Neue Website, Facebook, Twitter

Der Ernst-Schneider-Preis hat eine neue Website, die bis zu 800 Besucher am Tag anzieht. Seit kurzem ist der Preis auch auf Facebook sowie Google Plus aktiv und twittert. Knapp hundert Follower haben die Social Media Auftritte erreicht:

Reichweitenstarkes Radio

Radio nutzen mehr Menschen als das Internet und das Fernsehen; für die meisten ist es Stimmungsbegleiter. Aber auch die informationsbasierten Programme wie NDR info, B5 aktuell und MDR info haben einen hohen Zuspruch. Aktuell verweilen die Hörer hier 84 Minuten pro Tag (Media Perspektiven 10/2014). Die Gründe der Programmbindung liegen in den verlässlichen Informationen, der Einordnung und Kommentierung des Tagesgeschehens.

Aus für Wall Street Journal Deutschland

Nach zwei Jahren war Schluss. Rupert Murdoch stellte Ende 2014 das „Wall Street Journal Deutschland“ ein. Die digitale Zeitung kam zuletzt auf 900.000 Visits pro Monat, Konkurrent Handelsblatt verzeichnete 19 Millionen Besuche. Im Januar 2012 war die Redaktion mit dem Ziel angetreten, zum führenden Anbieter von internationalen Finanz- und Wirtschaftsnachrichten zu werden.

Neue Gründershow

Die erfolgreiche Gründerserie „Höhle der Löwen“ (Vox) findet Nachahmer. Kabel 1 will am 31. März eine Startup-Show im Gastro-Bereich ausstrahlen. In „Gutes Essen zahlt sich aus“ stellen Gründer ihre Restaurant-Konzepte vor. Die Gewinner sollen ihre Konzepte innerhalb von 48 Stunden mit dem Geld der Investoren realisieren.

Neues zum 50. vom WDR

Vom 24. August bis zum 4. September testet der WDR eine Reihe neuer Fernsehsendungen. Anlässlich des 50jährigen Bestehens verspricht Fernsehdirektor Jörg Schönenborn überraschende Formate. Auch etablierte Sendungen wie die Wirtschaftssendung „markt“ sind aufgerufen Neues zu wagen.

Feingeist-Magazin

denkzeitDer ehemalige „Focus“-Chefredakteur Wolfram Weimer bringt gemeinsam mit der Autorenzeitschrift Schweizer Monat das neue Magazin „Denkzeit“ heraus, das sich eigenen Angaben zufolge an die „unternehmerisch denkende Elite“ wendet. Das E-Magazin bietet „kantige Inhalte jenseits der windigen News(un)kultur“, so Chefredakteur René Scheu. In der ersten Ausgabe kommen unter anderem Peter Sloterdijk und Josef Ackermann zu Wort. Das Magazin kann kostenlos heruntergeladen werden: http://www.wirtschaftskurier.de/denkzeit

 

Rheinische Post mit Digitaler Wirtschaft

Die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post führt einen neuen regelmäßigen Schwerpunkt „Digitale Wirtschaft“ ein. Chefredakteur Michael Bröcker sieht in dem Thema einen wichtigen Aspekt der künftigen Wirtschaftsberichterstattung. Eine Gruppe von Redakteuren, Journalistenschülern, Grafikern und Technikern (interne Bezeichnung „Wilde 13“) entwickelt derzeit entsprechende digitale Formate.

In Zukunft gedruckt

Wie das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Wirtschaftsmagazins „Capital“ bei fast 500 Entscheidern aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung ermittelte, bevorzugen gut zwei Drittel der Befragten Informationen auf Papier. Obwohl sich viele auch im Netz über das aktuelle Geschehen informieren, ist die überwältigende Mehrheit davon überzeugt, dass die gedruckte Zeitung Zukunft hat: 80 Prozent der Entscheider erwarten, dass die Zeitung in Zukunft auch in gedruckter Form eine große Rolle spielen wird. Unter den 496 Befragten waren 70 Vorstände aus Konzernen sowie 18 Ministerpräsidenten und Minister und 22 Leiter von Bundesbehörden.

Vier Minuten online

Meedia hat anlässlich des Starts von „Krautreporter“ die Aufenthaltsdauer von Online-Lesern ermittelt. Krautreporter ist im Oktober 2014 mit längeren Reportagen gestartet. Das Online-Magazin will per Crowdfunding unabhängigen Journalismus finanzieren. Die Leser verweilen knapp sechs Minuten auf dieser Seite. Zum Vergleich: Auf Spiegel Online hält sich ein Nutzer im Durchschnitt fast fünf Minuten auf, bei Bild.de ist es etwas weniger. Bei Focus Online und Welt.de liegt die Verweildauer um die drei Minuten. Auch ein Lesemedium wie Zeit Online kommt nur auf knapp vier Minuten.

Fernseh-News auf Facebook

„The One Thing” heißt eine knapp zweiminütige Nachrichtensendung, die für Nutzer von Facebook konzipiert ist. Das Format liefert der amerikanische Sender ABC. Wer das soziale Netzwerk mobil nutzt, was die meisten der mittlerweile rund 1,3 Milliarden Nutzer machen, verfügt meist aber über geringe Bandbreiten, was das Abspielen von Videos erschwert.

Wer zahlt wie viel fürs Fernsehen?

Aus einem Gutachten des Bundesfinanzministeriums lässt sich ablesen, wie viel sich andere Länder öffentlich-rechtlichen Rundfunk kosten lassen. Die höchste Rundfunkgebühr zahlen Schweizer mit 384 Euro im Jahr (Deutschland 216 Euro). Auch Skandinavier zahlen zum Teil deutlich mehr. Am geringsten ist der Rundfunkbeitrag in Portugal mit 27 Euro im Jahr. Die in dem Gutachten analysierten 31 Länder finanzieren ihren Rundfunk entweder über Gebühren, Steuern, Werbung oder wie in den USA über Spenden.

Update zum Gutachten über die Rundfunkgebühren: Eine Mitarbeiterin des NDR informierte uns: „Das Gutachten ist nicht vom Bundesfinanzministerium, sondern vom wissenschaftlichen Beirat des Ministeriums. Dieser Beirat ist unabhängig, wählt sich selbst seine Themen und gerade in diesem Fall war das Ministerium sehr interessiert daran, nicht zu dem Papier Stellung zu nehmen.“ (18.02.2015)

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Mehr Wirtschaft wagen

Stellungnahme zur Entwicklung der Wirtschaftsberichterstattung 2014

In der Tagesschau vom 11. Juni 2014 prallten zwei Welten aufeinander. Wütende Taxifahrer pro­testierten gegen die Wettbewerbsverzerrung der digitalen Start-ups Uber und WunderCar. Deren Gründer guckten ungerührt in die Kamera und sagten, dass die Welt sich gedreht habe. Per App. Ähnliche Erfahrungen wie die Taxifahrer machen die Hotelbranche mit Airbnb und die Buchhandlungen und -verlage mit Amazon. Die Liste ließe sich um Reisebüros, Zeitungen und Banken verlängern. Eine Welle technischer Durchbrüche verändert die Welt, getrieben von exponentiell wachsenden Datenmengen, immer leistungsfähigeren Computern und stetigen Entwicklungen der Robotik. Schon heute sind mehr Dinge mit dem Internet verbunden als es Menschen gibt. Auf allen Ebenen transformiert sich die Wirtschaft. Wir leben in Zeiten eines Umbruchs. Mehr denn je braucht es einen wachen Blick, Recherche und kluge Einordnung, kurzum: kundige journalistische Begleitung.

Die IHKs wünschen sich kompetente Berichte und sie wünschen sich mehr Wirtschaftsthemen – im Fernsehen und besonders im Radio. Hier liegt ein Defizit, auch zahlreiche Journalisten sehen es (Umfrage Ernst-Schneider-Preis 5/2014). Die befragten Ressortleiter und Chefredakteure sind nahezu unisono der Ansicht, dass die Bedeutung der Wirtschaftsberichterstattung für die Entwicklung der Gesellschaft deutlich unterschätzt wird, dass also das Wohlbefinden der Deutschen, ihr Zusammenhalt und ihre Lebensperspektiven viel stärker von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen als sie vermuten. Doch auf dem Weg zu einer kritisch-vorurteilsfreien Wirtschaftsberichterstattung scheinen noch Steine zu liegen. Psychologen des Rheingold-Instituts haben gerade ermittelt, dass Journalisten sich bei Wirtschaftsthemen oft als Korrektiv sehen und ihre Berichte färben. Warum? Weil sie Wirtschaft als Übermacht empfinden und in ihren Köpfen noch analoge Bilder von Wirtschaft sind („Das Bild der Wirtschaft aus Perspektive von Journalisten“ 9/2013).

Die diesjährige Stellungnahme der IHKs zur Entwicklung der Wirtschaftsberichterstattung stützt sich auf Studien, Medienbeobachtung und die Auswertung von über tausend Wirtschaftsbeiträgen, die zum Ernst-Schneider-Preis, der seit 43 Jahren von den Industrie- und Handelskammern gestiftet wird, eingereicht wurden.

I Fernsehen

Neue Formate von RTL und WDR, exzellente Reportagen aus der Serie „Zoom“ im ZDF und aufsehenerregende Magazinbeiträge vorwiegend in der ARD: Wer im Programm sucht, findet gute Wirtschaftsbeiträge.

Der Wirtschaftsjournalismus scheint seinen Tiefpunkt nach der nicht prognostizierten weltweiten Finanzkrise überwunden zu haben. So sahen Zuschauer bereits ein dreiviertel Jahr vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Warnungen vor Beteiligungen an der Windkraftfirma Prokon, zum Beispiel „Windige Versprechen“ (HR). Das spricht für Kompetenz in den Redaktionen, die bei Wirtschaftsthemen notwendig ist. Es zeigt aber auch wie problematisch es ist, Absolventen der Wirtschaftswissenschaften vom Volontariat auszuschließen, wie derzeit beim ZDF üblich.

Zahlreiche gute Beiträge analysieren die deutsche Energiewende, unter anderem „Experiment Energiewende – Deutschlands einsame Revolution“ (ZDF/ARTE). Deutlich auch der Zeitbezug bei Beiträgen wie „Zugriff! – wenn das Netz zum Gegner wird“ (ARD/HR). Beiträge wie „Flucht in die Karibik – Die Steuertricks der Konzerne“ (ZDF) und „Steuerfrei – Wie Konzerne Europas Kassen plündern“ (WDR) lösten politische Debatten aus. Die Reportagen schildern wie multinationale Firmen Gewinne und Steuern zu Lasten der Gesellschaft und ihrer mittelständischen Konkurrenten minimieren, eine Praxis, die mittlerweile die EU untersucht. Gute Wettbewerbsbeiträge beschreiben, was die Gesellschaft bewegt, zum Beispiel Fehlsteuerungen in der Medizin. Der „Krankenhaus-Report – Wo Medizin Kasse macht“ (ARD/HR) analysiert die Frage wie viel Markt die Gesundheit verträgt und welche Auswirkungen Fallkostenpauschalen haben können. Gesellschaftlich relevant sind die „Macht der Ratingagenturen“ (ZDF) und „Staatsgeheimnis Bankenrettung“ (ARTE/rbb), beides ebenso exzellente Reportagen wie „Tödliche Deals – Deutsche Waffen für die Welt“ (ZDF). Dass Wirtschaft tief in den Alltag der Zuschauer hineinreicht, zeigen Beiträge wie „Oh Tannebaum – die Jagd nach der Nordmanntanne“ (Servus TV), „Deutschland deine Pizza“ (NDR) und „Kundenarbeit – die unbezahlte Dienstleistung“ (3Sat): Im Urteil der Juroren Beiträge, die vorbildlich vermitteln wie die Wirtschaft sich unablässig verändert.

Die besten kurzen Beiträge des Wettbewerbs um den Ernst-Schneider-Preis kamen in diesem Jahr von der ARD. Die Jurys lobten Magazinbeiträge über die eingeschränkte Aussagekraft von Zertifikaten bei der Textilherstellung (WDR), zum boomenden Milchexport nach China (SWR), über die Ausbildungsbereitschaft von Jugendlichen (MDR) und – einmal mehr – über wachsende Gefahren des Datenmissbrauchs („Cyberwar“, BR).

Trotz dieser guten Beispiele ist der Wirtschaftsanteil in der Gesamtschau des Programms nicht hoch. Eine Aufwertung wäre angesichts der Relevanz, die Wirtschaft für die Gesellschaft hat, angemessen. Dies gilt auch für die Wirtschaftsendung des Ersten. „Plus­minus“ steht im Schatten des Programms. Die Sendung fällt oft aus – allein elf Mal im vergangenen Jahr. Zum Vergleich: Als am Sonntag, 4. August 2013, keine „Lindenstraße“ ausgestrahlt wurde, war dies der dritte Ausfall der ARD-Soap in 28 Jahren. „Plusminus“ setzen Fußball, Ferien, Feiertage und Eventprogrammierung zu.

Zwar widmen die beteiligten Plusminus-Redaktionen erfreulicherweise den größten Teil der Sendezeit Wirtschafts­themen (Programmanalyse des IFEM-Institut in Media Perspektiven 5/2014), doch gewinnen im Vergleich zum Vorjahr alltagsnahe Verbraucherthemen und Kriminalitäts­themen an Bedeutung. In „WiSo“ (ZDF) dominieren alltagsnahe Verbraucherthemen. Klassische Wirtschaftsthemen liegen an zweiter Stelle, verlieren aber ebenfalls zugunsten von Kriminalitätsthemen an Sendezeit.

Und neue Formate? Auch die gibt es. Der „Markencheck“ des WDR war eine solche Innovation. Doch seit dem Erfolg, den die Sendung auch in der ARD feierte, scheinen die Programmverantwortlichen in Checks aller Art Einschaltquotengaranten zu sehen. Im laufenden Programm „checkt“ der „Marktcheck“ des SWR im Südwesten sogenannte Topmarken. Und ab August checkt die ARD in einer „großen Verbraucherinitiative“ (Programmdirektor Volker Herres) erst Marken (WDR), dann Recht (SWR), anschließend Lebensmittel (NDR mit Tim Mälzer), danach Haushalt (WDR) und schließlich Gesundheit (BR). Damit aber nicht genug. 2015 dürfen sich die Zuschauer auf den „Montags-Check im Ersten“ in folgenden Kategorien freuen: „Werbe-Check“ (SWR), „Reise-Check“ (SR) und – gewissermaßen ein Scheck-Check – der „Geld-Check“ in der Verantwortung von BR und HR. Durch die Klonsendungen fällt im ARD-Programm am Montagabend um 20.15 Uhr der Dokusendeplatz Natur weg. 2010 strich die ARD am gleichen Tag um 21.00 Uhr bereits den Sendeplatz für Reportagen.

Ob die Checks dem Bedürfnis der Zuschauer nach Orientierung Rechnung tragen? Es geht origineller: Den Juroren fiel beim Ernst-Schneider-Preis 2014 das WDR-Format „Gegen den Strich“ auf, das als größerer Block in der Sendung „markt“ gesendet wird. Hier überraschen die Autoren die Zuschauer mit unkonventionellen Ideen. „Massentierhaltung – ja bitte“ hieß zum Beispiel ein ebenso nachdenklicher wie unterhaltsamer Film über Tierhaltung, in dem Argumente als Rap gesungen wurden. Ebenfalls vom WDR stammt „Auf den Punkt“, ein Format aus dem Frühstücksfernsehen der ARD. In ihm erklärt der Autor in zwei Minuten Wirtschaftsbegriffe in Alltagssprache. Das Setting in einer aufgelassenen Fabrik, die unkonventionelle Erzählweise sowie die gute Grafik machen diese Folgen sehenswert. Informativ war auch „Wie geht´s Deutschland? (ZDF), eine Spurensuche mit anschließender Diskussion.

Bei Phoenix hat Wirtschaft einen hohen Stellenwert, 3sat setzt Akzente (Themenwoche „Hauptsache Konsum“, „Die Macht der Märkte“), auch n-tv berichtet kontinuierlich und zuverlässig über Wirtschaft. Große Privatsender wie RTL und Sat.1 zeigen Wirtschaft, zum Beispiel in ihren regionalen „Fensterprogrammen“, in denen nach Feststellung des Instituts für Medienforschung Göttingen und Köln die Berichterstattung an inhaltlicher Substanz gewonnen hat. RTL West war mit überzeugenden Magazinstücken zu nordrhein-westfälischen Wirtschaftsthemen im Wettbewerb vertreten. Im Abendprogramm wagte sich RTL an ein Format, das „Was verdienst du?“ heißt. In dieser Dokusoap teilen sich Mitarbeiter und Inhaber die Höhe ihrer Gehälter mit. Daraus entwickelt sich in den Unternehmen ein Prozess, bei dem über Sinn und Wert von Arbeit und Leistung gesprochen wird. RTL produziert daneben die Serie „Undercover Boss“ und macht mit dem „Team Wallraf“ viel gesehene Undercover-Reportagen. Das vor einem Jahr ausgegebene Versprechen, RTL stärker journalistisch zu positionieren, wurde mit „Nicht mit uns – die große Schnäppchenlüge“ und „Raus aus der Rentenfalle“, in dem Peter Zwegat den Zuschauern erklärt, was sie tun müssen, um im Alter nicht in die Altersarmut abzurutschen, eingelöst.

 

II Hörfunk

Die Unterschiede zwischen öffentlich-rechtlichem und privatem Radioprogramm sind zumeist hörbar. Die Sender bedienen die Bedürfnisse der Hörer nach Information und Unterhaltung. Insgesamt ist der Informationsanteil der kommerziell betriebenen Stationen deutlich niedriger. Dies geht besonders zulasten tendenziell erklärungsbedürftiger Wirtschaftsinformationen. Hier ist das Angebot dünn. So überrascht es kaum, dass – anders als im Fernsehen – sich kein privater Sender am Wettbewerb beteiligte. Dabei hätten besonders die großen Sender oder Senderverbünde wie Radio NRW, Antenne Bayern, FFH und R.SH Möglichkeiten eigene Angebote zu entwickeln. Ein Blick in Boulevardzeitungen gibt Hinweise, welche Wirtschaftsthemen leicht zu vermitteln sind.

In den Angeboten der ARD hören die Menschen Serien und Thementage, zum Beispiel am 11. September 2013 auf WDR 5 „Im Würgegriff der Banken – Fünf Jahre Finanzkrise“. Der Deutschlandfunk sendete im Juni 2014 den Themenschwerpunkt „Deutschland, deine Krankenhäuser“. Es ging um Fehlsteuerungen der Fallkostenpauschale, um Forschung, Demografie und Markt. Viele Sender produzieren großartige Feature, die ARD auch ein senderübergreifendes Radiofeature. Den Jurys gefielen unter anderem „Pacmans Enkel – Boombranche Computerspiele“ vom WDR und „Pieta Piëch“, ein kunstvolles „Dokumentarpassionsspiel“ des SWR. Die Probleme der vernachlässigten deutschen Verkehrsinfrastruktur bringt „Leverkusen ist überall“ exemplarisch auf den Punkt (DLF). „Schiefer, Sand und Supermärkte“ beschreibt wie neue Öl- und Gasquellen die Weltordnung verändern (BR).

Im Radio, so die Ansicht vieler Beobachter, gibt es Sendeflächen für ungewöhnliche Themen, was aber auch bedeutet, dass die Redaktionen – unbelastet vom Quotendruck des Fernsehens – sich trauen außergewöhnliche Themen aufzugreifen. Beispiele hierfür sind „Grüner Profit – die Biobranche zwischen Alternativrollen und Dumping­kapita­lis­mus“ (WDR), „Shoppen in China – Afrikanische Händler in Guangzhou“ (NDR) und „Handelseinig – DDR-Zwangsarbeit und die Verantwortung westdeutscher Firmen“ (BR). Dass dabei auch mit Erzählformen experimentiert wird, bewies „Gute Tante Arbeitsamt – Vom Leben einer Institution“ (NDR).

 

III. Print

Die Stärke der Zeitungen liegt darin, zwischen der ersten und der letzten Seite eine Zusammenfassung des Geschehens zu geben und Einordnung zu bieten; außerdem erfüllen Zeitungen die Bedürfnisse der Leser nach Überraschung. Im Vergleich der Medien sehen Chefredakteure und Ressortleiter bei Zeitungen und Zeitschriften in einer Befragung des Ernst-Schneider-Preis vom Mai 2014 unvermindert viel Potenzial. „Hintergrundberichterstattung“ und „Wirtschaftspolitik“ finden sie in Printtiteln am besten verortet. Noch mehr Journalisten als im Vorjahr (62 Prozent) erwarteten die Lokalberichterstattung vor allem in den Printmedien. Insgesamt halten die befragten Journalisten die Wirtschaftsberichterstattung in Deutschland überwiegend für gut – und denken dabei besonders an die Presse. Hier hat Wirtschaft ihr Nischendasein verlassen. Allerdings sagen drei von vier der Befragten, dass Journalisten noch zu wenig tun, um Wirtschaftsthemen ansprechend zu vermitteln.

Auf die Autoren der nachfolgenden Artikel trifft dies nicht zu. Ihre Beiträge ragen unter mehreren hundert Einreichungen zur Kategorie Print im diesjährigen Wettbewerb heraus, weil vieles zusammenkommt: Ungewöhnliche Erzählideen, neue Blickwinkel auf eine Thematik, besondere Recherchetiefe, Lesbarkeit auf mehreren Ebenen und eine Einbindung der Geschichte in größere Bezüge. Die Jurys lobten zum Beispiel „Schluss. Aus. Feierabend.“, einen Beitrag über den Sinn der Arbeit (KulturSPIEGEL) und „Warum muss Joy hungern?“, ein Zeit-Dossier über Zusammenhänge zwischen Weltmaisproduktion und Nahrungsmittelmangel. Bemerkenswert waren auch die Einblicke in die komplexen Abläufe der Deutschen Bahn in „Heute vom Gleis gegenüber“ und „Gnadenlos.com“, eine in große Zusammenhänge gestellte Amazon-Geschichte, die den radikalen Wandel des Handels analysiert (beide Spiegel). Die beste Serie zur vernachlässigten Verkehrsinfrastruktur erschien in der Welt am Sonntag und heißt „Die gebremste Republik“, die pointierteste Geschichte zur Energiewende druckte das Handelsblatt („Der Irrsinn der Energiewende“).

Spannend und verständlich wird Wirtschaft, wenn Autoren das Entstehen eines einzelnen Produktes schildern. Dies kann auch ein Film sein. In „Aufnahme läuft!“ (Zeit) verfolgen Leser, wie der Wettlauf zwischen dem Produzenten des teuersten deutschen Films und der globalen Videopiraterie, die die Refinanzierung gefährdet, verläuft. Ein Steak und ein „Golf“ sind die beiden Produkte, die Capital-Reporter auf dem Weg nach Europa beziehungsweise in die USA verfolgen – ein ebenso überraschender wie großartiger Blickwinkel zur Erläuterung des diskutierten Freihandelsabkommens. Wie global der Gesundheitsmarkt ist, schildert „Der libysche Patient“ (Welt am Sonntag); was die veränderten Arbeitszeiten für Folgen haben, las man in dem bewegenden Portrait einer Kita, die nicht schließt: „Vierzig Stunden in der Kita“ (F.A.Z.).

Die regionalen Tageszeitungen entwickeln zum Teil bemerkenswerte Serienideen, an denen sowohl die Konzepte als auch die einzelnen Themen überzeugen. Die Berliner Morgenpost titelte „Gründer Zeit“ und machte eine Serie zu Start-ups in der Hauptstadt; nicht weniger überzeugend die Folgen von „Gründer im Land Baden-Württemberg“ (Stuttgarter Zeitung). Originell erschien den Juroren die zehnteilige Serie „Patente – Münstersche Erfindungen – und was sie ihren Ideengebern brachten“ aus der Münsterschen Zeitung. Dass auch Regionalzeitungen globale Geschichten erzählen können, beweist das Hamburger Abendblatt mit der Serie „Hamburgs neue Gastarbeiter“. Mit dem aktuellen Thema der Zuwanderung greifen die Autoren ein zentrales Problem der Gesellschaft auf und binden Leser. Dies nennt der Zeitungsforscher Andreas Vogel in der kürzlich erschienenen Studie „Talfahrt der Tagespresse“ eine Voraussetzung für die Gesundung der Zeitungen: Zeitungsredaktionen müssen als „Kompetenzzentren der öffentlichen Kommunikation im Regionalen wahrgenommen werden“.

 

IV Internet

Den möglicherweise entscheidenden Geburtsfehler des Internet nennt der Computerwissenschaftler und Internetvisionär Jaron Lanier die One way-Verlinkung. Sie sei für die Kostenloskultur im Netz verantwortlich. Laniers These: Gäbe es Two-Way-Links, könnte also der Urheber sehen, was mit den Informationen geschieht, müssten Datensammler wie Google etwas bezahlen. Dass etwas falsch läuft in der Informationsökonomie, spüren zahlreiche Branchen, nicht zuletzt die etablierten Anbieter von Nachrichten. Zeitungsverlage, die ihre digitalen Ausgaben kostenlos ins Netz gestellt haben, führen nach und nach Bezahlmodelle ihrer elektronischen Ausgaben ein; in diesem Jahr werden es bereits hundert sein. Die großen Nachrichtenportale bleiben hingegen zumeist beim freien Zugang und setzen auf Reichweite und entsprechende Werbeerlöse. Auf eine neue Erlösquelle zielen Journalisten wie Krautreporter, die über crowdfunding Finanziers suchen.

Seiten mit guten Wirtschaftsinformationen bieten im Internet neben den etablierten Verlagen zahlreiche Ökonomie- und Meinungsblogs sowie die Websites der öffentlich-rechtlichen Sender, des Deutschlandfunks und der Deutschen Welle. Aus diesem Kreis setzen sich die Einreicher zusammen, die sich am Wettbewerb um den Ernst-Schneider-Preis mit interessanten Wirtschaftsgeschichten beworben haben. Thematisch geht es um den Strukturwandel in Deutschland „Stadt – Land – Mensch“, (DW.de), den Volksentscheid zum Berliner Tempelhofer Feld (Tagesspiegel) und „Transition towns“, (faz.de), um Spekulationsblasen (Zeitonline / explanity), den deutschen Mittelstand (n-tv und Welt online) und Enthüllungen „Finanzvertriebe packen aus“ (Handelsblatt). Zeit online testete das „crowd sourcing“ und bat seine Leser mitzuteilen, wie hoch ihre Dispozinsen sind. Aus den Antworten entwickelte die Redaktion eine Deutschlandkarte der Bankgebühren. Das Vorhaben zielt auf Leserbindung und auf Partizipation, beides entscheidende Faktoren im Onlinegeschäft. In die Geschichten eingebunden sind oft Bilder, Videos, weiterführende Links und Grafiken in unterschiedlicher Qualität. Manches ist großartig gestaltet wie eine Adidas/Puma-Geschichte in „Begleiter“ (SZ), anderes eher werkstattmäßig wie der über Google Hangouts geführte „WiWo Lunchtalk“ der Wirtschaftswoche. Schnelle Kommentare und Feedbacks der Leser spielen im Netz eine große Rolle.

Medienbrief 4/14

So geht sächsisch
Prof. Karola Wille wird die Verleihung des Journalistenpreises der deutschen Wirtschaft am 6. Oktober eröffnen. Die Intendantin des MDR ist Hausherrin der Media City Leipzig, wo die Verleihung stattfindet. Die Feier soll auch die Stärken Sachsens zeigen. Die ausrichtenden IHKs in Chemnitz, Dresden und Leipzig haben die von Maybrit Illner moderierte Auszeichnung unter das Motto „Nicht lang reden, sondern machen. So geht sächsisch.“ gestellt. Hier geht es zur Anmeldung:
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Roboterjournalismus aus Berlin
„Ein Algorithmus kann niemals Intelligenz, Kreativität und das Sprachgefühl eines Journalisten ersetzen – aber in der Aufarbeitung von Daten in Sekundenbruchteilen ist er unschlagbar“, so Carsten Erdmann, Chefredakteur der Berliner Morgenpost. Erdmann ist Pionier. Seine Berichterstattung über die Feinstaub-Belastung in der Berliner Innenstadt wird teilweise von einem Computer geschrieben. Die Morgenpost nutzt für ihren „Feinstaub-Monitor“ ein Programm, das Messwerte aller Stationen von der Website der Berliner Senatsumweltbehörde ausliest, mit Vorjahreswerten vergleicht und automatisch visu­a­lisiert, zu finden unter morgenpost.de/feinstaub.

Das Erste macht die Meinung
Die ARD bleibt die Organisation mit dem größten Einfluss auf die Meinungsbildung in Deutschland. Zu diesem Ergebnis kommt die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM). Der Meinungsmarkt in Deutschland wird demnach von fünf Medienkonzernen geprägt. Die ARD hat einen Anteil von 22 Prozent am Meinungsmarkt. Es folgten Bertelsmann (RTL-Gruppe) mit 13 Prozent, Sprin­­ger mit 9 Prozent, ProSiebenSat.1 mit 8 Prozent sowie das ZDF mit 7 Prozent. Zwei Aspekte sind bemer­kenswert: Der Einfluss der großen privaten Fernsehsen­der auf die Meinungsbildung in Deutschland nimmt ab. Gleichzeitig sinkt auch die Bedeutung des Mediums Fern­sehen für die Meinungsbildung der Deutschen (- 3 Pro­zent). Zulegen konnten Tageszeitungen (+1 Prozent), Radio (+2 Prozent), Internet (+1 Prozent) und Zeit­schriften (+0,4 Prozent).

20 Minuten beim Anwalt
Die Wirtschaftszeitschrift Impulse erhöht den Preis für ihr Monatsmagazin von 7,50 Euro auf 9,90 Euro. „Qualität hat ihren Preis“, sagt Chefredakteur Nikolaus Förster. In seinem Blog hatte er Leser nach dem richtigen Preis für das Heft gefragt und die Leser hatten im Schnitt 10,60 Euro vorgeschlagen. Nicht zu viel, findet Förster: „Ein Jahr lang Teil des Impulse-Netzwerks zu sein, kostet etwa so viel wie 20 oder 30 Minuten bei einem guten Anwalt, Berater oder Coach.“

Checks, Checks, Checks
markencheckAb dem 25. August sendet die ARD um 20.15 Uhr den „Montags-Check“. Den Anfang machen vier Folgen des „Markencheck“, der in der Wirtschaftsredaktion des WDR entwickelt wurde. Der Erfolg dieser Sendung scheint bei den Programmplanern eine Check-Euphorie ausgelöst zu haben. Der „Marktcheck“ des SWR „checkt“ bereits Topmarken. In der ARD erleben die Zuschauer bald eine „große Verbraucherinitiative“ (Programmdirektor Volker Herres), die erst Marken checkt (WDR), dann Recht (SWR), anschließend Lebensmittel (NDR mit Tim Mälzer), danach Haushalt (WDR) und schließlich Gesundheit (BR). Damit aber nicht genug. 2015 dürfen sich die Zuschauer auf den „Montags-Check im Ersten“ in den Kategorien „Werbe-Check“ (SWR) und „Reise-Check“ (SR) freuen. Wem auch das nicht reicht, für den gibt es den „Geld-Check“ in der gemeinsamen Verantwortung von BR und HR – gewissermaßen einen Scheck-Check. Durch die Klonsendungen fällt im ARD-Programm am Montagabend um 20.15 Uhr der Dokusendeplatz Natur weg. 2010 strich die ARD am gleichen Tag um 21.00 Uhr bereits den Sendeplatz für Reportagen.

Sag es einfach
Der Deutschlandfunk hat seine Webseite nachrichtenleicht.de überarbeitet. Der Wochenrückblick liefert in einfacher Sprache wichtige Nachrichten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport. Die Sätze dieser Nachrichten sind kürzer. Zu Schlüsselwörtern gibt es Erklärungen. Alle Meldungen kann man lesen oder hören.

.de verschwindet
Bekannte Medien wollen auch im Internet ihre Marken vereinheitlichen. So ersetzt das Stern-Logo das stern.de-Logo auf allen Kanälen. Springers Bild-Zeitung hat bereits den gleichen Schritt gemacht und auf das .de hinter Bild verzichtet.

Crossmediales in Düsseldorf
Die Rheinische Post Mediengruppe bündelt ihre Nachwuchsförderung ab Oktober 2014 in einer multimedialen Journalistenschule. Praxisstationen finden bei der „Rheinische Post“, der „Saarbrücker Zeitung“, „Lausitzer Rundschau“ und dem „Trierischen Volksfreund“ statt. Kooperationspartner der Ausbildung sind Antenne Düsseldorf, center.tv, WDR, Bild und Spiegel. Ein Schwerpunkt liegt auf digitalen Medien und „journalistischem Entwicklergeist“. Dazu gibt es Kurse in Datenjournalismus, Social Media, Blogging, Crowd Funding und interaktivem Story­telling.
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Die Welt verstehen
Seit Juni heißt der vom Bayerischen Rundfunk betriebenen Bildungskanal BR-alpha ARD-alpha. Der 1998 gegründete Sender wendet sich unter dem Claim „Die Welt verstehen“ an ein bundesweites Publikum. Im Programm: Wissens- und Kulturmagazine, darunter Sendungen mit Kultstatus wie „Space Night“ und „alpha-Centauri“ mit Harald Lesch. Wer donnerstags eine Alternative zu einem Spätfilm sucht, für den gibt es von Mitternacht bis in den frühen Morgen „Wissenschaft für Schlaf­lose“.

Digitaler Zuwachs
„Bild“ hat Erfolg mit seinen Digitalabos. Die Zeitung verkaufte im Mai 200.000 digitale Abonnements, fast 50.000 mehr als im Dezember. Auch die „Welt“ legte leicht zu. Sie kam auf 52.000 Verkäufe (plus 5.000).

Wer hört was im Internet?
internetradio

Die Arbeitsgemeinschaft Media Analyse hat im Juni Nutzerdaten für Internet-Radios bekanntgegeben. Die meistgehörten Sender sind etablierte UKW-Radios. Mit sieben Millionen monatlichen Abrufen liegt 1Live vorn, die Jugendwelle des WDR. Neben Antenne Bayern und Radio FFH finden auch Musiksender wie die 2003 in Aachen gegründete RauteMusik über 3 Millionen Hörer. Die Nutzung der Internet-Radios stieg um elf Prozent – auch dank internetfähiger Handys.

Deutsche unterschätzen Wirtschaft
Aus einer Umfrage des Ernst-Schneider-Preis vom Mai 2014: Neun von zehn Ressortleitern und Chefredakteuren glauben, dass die Bedeutung der Wirtschafts für die Entwicklung der Gesellschaft deutlich unterschätzt wird, dass also das Wohlbefinden der Deutschen, ihr Zusammenhalt und ihre Lebensperspektiven stärker von der wirtschaftlichen Entwicklung abhängen als diese vermuten.